DAS VERLETZTE INNERE KIND
In fast jedem Menschen lebt ein verletztes inneres Kind. Viele Menschen haben Traumata und emotionalen Missbrauch in ihrer Kindheit erfahren und versuchen diese schmerzvollen Zeiten zu vergessen. Sie meinen, wenn sie mit dem Schmerz in Berührung kommen, dass sie es nicht ertragen können. Doch so verdrängen sie ihre Erinnerungen und Gefühle nur tiefer ins Unbewusste und der sogenannte Schmerzkörper baut sich auf.
BEWUSSTWERDUNG
Doch wir können den Kindheitsschmerz auf Dauer nicht ausweichen.
Wenn wir erwachen und mit uns in Frieden kommen wollen, müssen wir zunächst unser verletztes inneres Kind und seine Emotionen heilen. Wir müssen unsere verdrehten und unterdrückten Gefühle heilen, um in echte, lebendige Beziehung mit anderen Menschen zu kommen. Denn selbst wenn wir den emotionalen Schmerz so tief in uns vergraben haben, dass wir ihn nicht mehr fühlen, ist diese Art des Nicht-Fühlens wie eine Form von Sterben. Eine totale Verleugnung des lebendigen Kerns in uns.
NICHT GELEBTE GEFÜHLE
Angestaute und nicht gefühlte Gefühle werden zu schädlichen Emotionen. Kommen diese nicht zum Ausdruck, so bildet sich mit der Zeit ein emotionaler Rucksack, der sogenannte „Schmerzkörper“ in uns. Es ist der innere Schmerz, der immer wieder von neuen getriggert und aktiviert werden kann. Wird dieser als solcher nicht erkannt, entfaltet sich in der Tiefe seine zerstörerische Kraft.
AUS DER VERGANGENHEIT
Doch keine Angst davor, den Schmerz zu fühlen. Er ist letztendlich nur ein Gemisch von angestauten Gefühlen wie Wut, Angst, Trauer und Scham. Er kommt aus der Vergangenheit - aus unserer Kindheit. Wenn uns das bewusst ist, und wir achtsam mit unserem inneren Kind umgehen, wird uns dieser Schmerz nicht überfluten.
1. Wut (= Element Feuer): Wir brauchen die Wut-Kraft für Klarheit, Handlung, klare Grenzen setzen und Entscheidungen treffen zu können.
2. Trauer (= Element Wasser): Wir brauchen die Trauer für die Annahme von Dingen, die wir nicht ändern können, für Zu- und Loslassen. Eine gesunde Trauer läßt uns in die Tiefe gehen und öffnet unser Herz für die Liebe.
3. Angst (= Element Erde): Angst, die nicht lähmt, kann uns helfen, kreativ zu werden, Auswege und Lösungen zu finden. Sie kann uns helfen, uns auf das Ungewisse einzulassen und über uns selbst hinauszuwachsen.
4. Freude (= Element Luft): Wir brauchen die Kraft der Freude, um das Leben in Leichtigkeit zu genießen, zu wertschätzen, zu lieben, die Dinge mit Humor zu sehen, unser Potential zu entfalten.
5. Scham (= Element Äther): Wir brauchen eine gesunde Scham (die nicht uns nicht "zerfleischt"), für die Selbstreflektion. Wir brauchen die Scham, um Demut zu entwickeln, um auf authentische Art und Weise um Verzeihung zu bitten, um unsere Grenzen, Fehler und Schwächen zu erkennen.
KINDHEITSBEDÜRFNISSE ERFORSCHEN
Hast Du Geborgenheit, Stabilität, Konstanz und Fürsorge erfahren? Konntest Du anderen vertrauen, fühltest Du Dich sicher und dazugehörend? Hast Du genügend Zuwendung erhalten? Konntest Du Liebe geben und bekommen? Konntest Du auf Respekt, Verständnis und Gerechtigkeit durch andere bauen? Konntest Du Deinen Selbstwert, deine Identität und Autonomie entfalten? Konntest Du in spielerischer Freiheit Deine Kindheit genießen?
MÖGLICHE FOLGEN HEUTE
Wenn Du viele Verletzungen in Deiner Kindheit erlebt hast, kann das jetzt zu Gefühlen wie Hilflosigkeit, Verlorenheit und Einsamkeit führen. Vielleicht führst Du auch im Inneren den Kampf dagegen, ungeliebt und falsch zu sein. Oder Du versuchst Anerkennung im außen zu finden, weil Du verinnerlicht hast, dass Anerkennung = Liebe ist.
VERDREHTE GEFÜHLE
Wie kann z.B. ein Kind unbeschwert und glücklich sein, wenn es solche Sätze zu hören bekommt, wie: „Du brauchst doch jetzt nicht weinen, … sei tapfer es geht vorbei.“ Der Fluss der Tränen, hätte das Kind wieder ins Gleichgewicht gebracht. Doch aus Liebe zu seinen Eltern hat es die Tränen runtergeschluckt. Das hat zur Folge, dass Kinder mit der Zeit das Fühlen bestimmter Gefühle sich abgewöhnen und innerlich eine Taubheit entwickeln. Sie lernen, dass ihre Gefühle nicht richtig sind. Sie lernen, dass etwas mit ihnen nicht stimmt. Wie war es bei Dir? War die Wut ein "böses Gefühl"?
WUT - DAS "BÖSE GEFÜHL"
Viele Kinder lernen, dass Wut ein „böses“ Gefühl ist. Oder sie kamen selber zu diesem Schluss, wenn ihre Eltern einen unreifen Umgang mit der Wut-Kraft vorgelebt haben. Doch was passiert, wenn das Kind nicht mehr den Zugang zu dieser natürlichen Kraft hat? Was passiert, wenn es später in seinem Leben in seiner Umgebung etwas als falsch empfindet, etwas verändern möchte, Grenze ziehen möchte? Die gesunde Wut-Kraft, die für Klarheit, Handlung, und Entscheidungen treffen steht, steht nicht mehr zur Verfügung und muss mit einen anderen Gefühlkraft ersetzt werden, z.B. mit der Trauer?
DIE ÜBERMÄSSIGE TRAUER
Vielleicht war das Gefühl der Trauer in Deinem Elternhaus ja eher akzeptiert als das Gefühl der Wut. Anstatt wütend zu sein, geht das Kind (und spätere Erwachsene) jetzt in die Trauer und verleugnet damit überhaupt etwas ändern zu können. Ihm fehlt die Unterscheidung zwischen den Dingen, die es ändern kann und denen, die es über die Trauer loslassen kann. Dieses Ungleichgewicht kann zu Depressionen führen, da die Trauer nun übermäßig stark in seinem System verankert ist.
Zweckentfremdete Gefühle behindern unser persönliches Wachstum. Wir verlieren eine Kraft, unser Leben gerät aus der Balance und manchmal ertrinken wir in einem See voller Tränen.
„Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit.“ „Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit.“
(Tich Nhat Hanh)
DUNKLES ZEITALTER DER GEFÜHLE
Wir leben in einem dunklen Zeitalter der Gefühle und Emotionen. Gefühle wurden in der Vergangenheit so unterdrückt und verdreht, dass wir heute von emotionalem Missbrauch sprechen. Denn wenn ein Kind lernt, dass es kein Recht hat, das zu fühlen, was es fühlt, so lernt es, dass etwas mit ihm nicht in Ordnung ist, wenn es das fühlt, was es fühlt.
Gute Erziehung beinhaltet Emotionen, ebenso wie gute Beziehungen Emotionen beinhalten. Wenn ein Kind keinen Zugang zu seinen ursprünglichen Gefühlen findet, wird es keine emotionale Verbindung mit anderen Menschen herstellen können. Es wird Probleme in Partnerschaften haben. Es wird sich nicht verbunden fühlen - sich alleine und getrennt fühlen.
Es ist daher wichtig für die Entwicklung eines Kindes, den Schatz all seiner Gefühle kennen zu lernen und fühlen zu dürfen. Es ist wichtig für ein Kind zu erfahren, dass alle seine Gefühle willkommen sind. Auch die sogenannten „negativen“ Gefühle, die in Wirklichkeit gar nicht negativ sind. Sie wurden nur dazu gemacht, von Eltern oder Erziehern, die mit den Emotionen des Kindes überfordert waren und die gesunde Kraft dahinter nicht erkannten.
Eure Brigitte