News Jänner 2022

Konfliktscheue

“ Einen Konflikt den ich nicht bearbeite, verschwindet nur, um sich Verstärkung zu holen”

Menschen, die nicht gelernt haben Konflikte auszuhalten, werden immer versuchen müssen, diese irgendwie unter dem Teppich zu halten. Koste es was es wolle. Nach dem Motto: Wenn ich nicht drüber rede, ist es auch nicht passiert und morgen ist wieder ein neuer Tag.

Wer in einer Auseinandersetzung daran denkt, dass der Partner ihn verlassen wird, falls er nicht einlenkt, ist unfrei in seinem Handeln und zutiefst abhängig vom Gegenüber. Diese Menschen bezeichnen sich besonders gerne als tolerant, weil sie davon überzeugt sind, aus freiem Willen zu entscheiden, nachzugeben oder kompromissfähig zu sein. Oft haben sie in ihrer Kindheit ein Schuldthema entwickelt und wurden zu überangepasstem Verhalten gezwungen unter dem Motto (Ich bin lieb, dann passiert mir nichts). In ihren Liebesbeziehungen holt sie ihr konfliktscheues Verhalten aber wieder ein.

Ein wirklich toleranter Mensch ist jemand, der zwischen wichtigen (hier ist mein Standpunkt für den ich einstehe) und vermeidbaren Konflikten unterscheiden kann. Also ein Mensch, der auch tatsächlich eine Wahl hat. Und das sind die wenigsten.

Harmoniesüchtig

Meisten wird dieser Begriff von Leuten genannt, denen ihre Konfliktscheue ausreichend bekannt ist und die auch einen gewissen Leidensdruck dahingehend haben. Ihnen ist bewusst, dass sie im Grunde keinerlei Wahl haben, sondern in Konflikten immer den Kürzeren ziehen. Sie haben oft schlechten Selbstwert, tun sich schwer für sich selbst einzustehen, treffen ungern Entscheidungen und sind im Allgemeinen sehr unsichere Persönlichkeiten. Alles Handeln orientiert sich am geringsten Konfliktpotential. Ihre Emotionen entladen sich übrigens gerne in passiv-aggressiven Verhalten, sie lassen ihre Emotionen ab indem sie den Anderen einfach stehenlassen und ignorieren.

Wie das Wort Sucht in dem Wort „harmoniesüchtig“ schon beschreibt, geht es dabei immer um Abhängigkeit. Dies impliziert bereits keine Wahlmöglichkeiten zu haben. Derjenige muss einfach, in diesem Fall harmoniesüchtiges Verhalten an den Tag legen. Und das tun sie nicht aus reiner Menschenliebe, Gefälligkeit oder Selbstlosigkeit. Sie geben vor, den Partner zu schonen, aber schonen in allererster Linie sich selbst.

Konfliktfähig

Hier siedele ich die goldene Mitte an. Menschen, die sich in einer guten Balance befinden, die gelernt haben, Verantwortung für sich zu übernehmen und nicht den anderen verantwortlich zu machen, wenn sie einmal außer Balance geraten und zu sehr in den Extremen hängen. Sie stellen leider eine Minderheit dar, denn es braucht einen ziemlich hohen Reifegrad, der nur durch (Eigen)Reflexion entstehen kann.

Bei unbewussten Menschen, die in ihren Beziehungen dieselben Muster einfach nur weiterleben, handelt es sich um erlerntes Verhalten aus ihren Herkunftsfamilien. Sie kommen entweder aus sehr konfliktträchtigen Familien, wo Streit, Gewalt und lautstarke Auseinandersetzungen an der Tagesordnung standen (und sie dadurch entwicklungstraumatisiert wurden) oder aus extrem konfliktscheuen Familien, wo jedwedes Konfliktpotential unter den Teppich gekehrt wurde (daher fehlende Vorbilder) und „Happy Family“ gespielt wurde.

Konfliktfähigkeit kann man lernen, dazu braucht es Bereitschaft es auch zu wollen!

Eure Brigitte