News Januar 2018

Autonomie und Würde

 

In der Beratung von Menschen begegnen wir immer wieder dem Thema Abgrenzung. Viele haben damit ein Problem, sich nicht abgrenzen zu können. Sie wollen allen Erwartungen anderer Menschen genügen und können kein klares Nein aussprechen, weil sie befürchten Ablehnung zu erfahren. Andere wiederum haben die Fähigkeit verloren, ihre innere Grenze wahrzunehmen und nehmen sofort wahr, was andere fühlen und was sie brauchen, damit es ihnen gut geht. Damit vermischen sich ihre eigenen Gefühle mit den der Anderen und damit sind sie denen ausgesetzt, ihre Stimmung bestimmt damit ihre Umgebung. Die Grenze ist auch Schutz vor fremden Einflüssen, doch wer sie nicht hat, ist einfach schutzlos ausgeliefert. Da entsteht Verwirrung, weil man nicht mehr unterscheiden kann zwischen eigenem und fremden. Die betroffenen leiden sehr darunter und oftmals können sie sich nur mehr flüchten in eine Krankheit, damit sie sich den Raum nehmen können den sie so dringend brauchen. Viele leiden an permanenter Überforderung, diese Menschen haben ihre Grenze nicht beachtet und dann bleibt nur nur die äussere Grenze, nämlich eine Krankheit zu entwickeln, damit sie sich zurückziehen können.

Der Verlust der Grenze, durch Verletzungen, Gewalt oder Verlust, meist in der Kindheit, wird der Selbstschutzreflex in unterschiedlichen Ausmaß blockiert, meist ist die Folge ein innerliches Abgrenzungsverbot. Die Grenze darf oder kann nicht mehr geschützt werden, sie geht verloren und mit ihr der innere Raum bzw. er wird überflutet von Fremden. Damit geht die Verbindung zum eigenen Selbst verloren, die Identität, der Zugang zu den eigenen Gefühlen, Wünschen und Bedürfnissen, damit auch die Orientierung und die Autonomie.

 

Um wenigstens zu Überleben, bleibt den Betroffenen nur übrig, sich anzupassen, sich nach Fremden zu orientieren. Das eigene wird verdrängt, ja sogar als bedrohlich empfunden und abgespalten oder ausgegrenzt. Sie tendieren dazu, sich manipulieren zu lassen und manipulieren selbst, sich und die Anderen abhängig zu machen. Es erzeugt Stress, Verwirrung und Krankheit, es wird die ursprüngliche Ordnung auf den Kopf gestellt.

Abgrenzung von sich selbst, statt Abgrenzung von fremden Einflüssen,

das gesunde Aggressionspotential kann sich nicht mehr entfalten und richtet sich gegen sich selbst. Depressionen, Psychosomatische Erkrankungen, Psychosen oder Selbstverletzungen sind die Folge.

Nur durch das wieder, die Verbindung zu sich selbst hergestellt wird, die blockierte Abgrenzung aufgehoben wird, ist es möglich das sich die Symptome verabschieden können. Dann ist es wieder möglich, den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen ihren Raum zu geben, es setzt wieder die Kraft frei, Fröhlich und freie Lebendigkeit zu leben und Schwere, Lähmung und Handlungsunfähigkeit verlieren sich.

Um das Geheimnis von Schönheit und Würde zu entfalten, braucht es einen eigenen Raum, die Unterscheidung zwischen Eigenem und Fremden, die Fähigkeit, das Fremde als Fremdes, als nicht zugehörig zu erkennen und es auf einer gesunden Distanz zu halten, so lieb, wertvoll und schön es auch sein mag. Nur so entsteht eine innere Grenze, etwas das uns umhüllt und schützt und eine gesunde Distanz zum anderen schafft, eine unsichtbare Schutzschicht, die es uns ermöglicht auch im Kontakt, bei uns selbst zu bleiben, zu wissen was wir wollen und es auch tun, zu spüren, was uns verletzt und uns wirksam zu schützen. Sie ermöglicht gleichzeitig den anderen und uns selbst zu achten, es bewahrt uns davor uns den anderen zu sehr anzupassen, uns ihm ähnlich machen zu wollen, uns von jemand abhängig zu machen, als sei er ohne uns nicht lebensfähig.

Es ermöglicht uns, beim Anderen das Fremde wahrzunehmen und gleichzeitig uns selbst dabei zu spüren und uns zu zeigen, wie wir sind. Eine Ich- Du- Begegnung wird möglich, eine Beziehung kann entstehen, in der sich beide verändern und wachsen dürfen. Diese unsichtbare Schutzschicht ist Voraussetzung, für Autonomie.

 

Sinnhaftigkeit der Grenze

Grenzen verhindern Streit, das ist ein altes Menschheitsthema, es ist im Zusammenleben enorm wichtig die richtige Balance zwischen Nähe und Distanz herzustellen. In Familien ist das nicht anders als in anderen Gemeinschaften, in denen die Menschen zu eng aufeinander sitzen. Die Konsequenz, ob im privaten oder beruflichen Umfeld: Sie kontrollieren sich gegenseitig und beschneiden einander in ihren Entfaltungsmöglichkeiten. Daher braucht es immer eine klare Grenzziehung. Die Aufgabenbereiche sollten klar voneinander getrennt sein, damit jeder seine Fähigkeiten entwickeln kann, zugleich braucht es aber auch ein gutes Miteinander, etwa durch Absprachen was Termine betrifft um ein positives Ergebnis zu erzielen.

Eine ausgewogene Balance von Nähe und Distanz im Miteinander geht bis in ganz praktische räumliche Fragen, es braucht Rückzugsmöglichkeit in den eigenen vier Wänden, denn nur wenn man sich zurückziehen kann, kommt man auch gerne wieder zusammen. Es braucht also immer beides: Nähe und Distanz, sich reiben und sich zurückziehen, Verbindlichkeit und Freiraum, Einsamkeit und Gemeinschaft.

Grenze in der Partnerschaft

In der Erfahrung und in den Gesprächen mit Menschen, hört man manchmal: Wir verstehen und doch so gut, doch wenn man immer zusammen ist, dann gibt es Probleme.Warum ist das so? Ganz einfach weil jeder Mensch seinen eigenen Raum braucht, indem er ganz er selbst sein kann, bekommt er den nicht, entsteht Aggression und Wut, das ist immer ein Zeichen dafür, das man mehr Distanz braucht. In vielen Beziehungen und Ehen spielt dieses zuviel an Nähe eine grosse Rolle, man hat sich da einen gemeinsamen Seelenraum geschaffen, wo der eine vom anderen etwas erwartet zu bekommen, das scheint am Anfang unter Liebe verstanden zu werden, doch es kann zu Streitigkeiten und Kampf führen, wenn der Andere seine Bedürfnisse nicht befriedigt, weil er vielleicht selbst gerade ein Problem hat und Rückzug braucht. Solche Partnerschaften finden nie zu ihrem eigenen Selbst und die Konsequenz, irgendwann leidet die Sexualität, sie können sie nicht mehr geniessen, sie entwickeln psychosomatische Symptome und streiten ständig miteinander.Eine glückliche Ehe gelingt nur, wenn sie ein ausgewogenes Verhältnis im Miteinander von Nähe und Distanz bekommt. Viele glauben, dass ihr ständiges Streiten eher ein Ausdruck der Distanz sei, doch ist es gerade umgekehrt, es ist ein Klammern an den Anderen. Man sollte sich Freiraum gönnen, Abstand und sei es nur wenn man sich mal eine Auszeit nimmt um sich wieder annähern zu können, doch viele denken sie verlieren dabei den Anderen und bekommen Angst und klammern noch mehr. Doch nur wenn sie sich die eigenen Grenzen sichern, werden sie auf Dauer glücklich werden.

Grenze im Umgang mit Anderen

 

Die Grenze war dem Menschen immer heilig, die Grenze trennt und schützt, sie ermöglicht etwas friedliches, im Umgang miteinander. Das gilt nicht nur für die Landesgrenze, sondern auch zur Abgrenzung der Felder und des Besitzes zum Nachbarn. Diese Grenzen schützen den Menschen und geben ihm auch in rechtlicher Sicht seinen Raum, dieses Recht schützt seine Grenze und damit auch den Menschen. Die Einhaltung der äusseren Grenze ist auch für die menschliche Seele sehr wichtig, damit der Mensch nicht innerlich zerfliesst, sondern seine Identität bewahren kann. Also schützt uns die Grenze, die äussere Grenze unseres Besitzes ist gleichzeitig der Schutz unseres inneren Seelenraums.

Die Grenze ist das Grundprinzip des Lebens, sie ermöglicht Abgrenzung zur Umgebung, aber auch Austausch. Es entsteht ein Raum mit dem Eigenem, das sich von dem der Umgebung unterscheidet. Die Grenze ist auch ein Grundprinzip der seelischen Struktur, sie schafft ein inneren Raum, der sich von der Umgebung unterscheiden kann, das ist Voraussetzung für die individuelle Identität, die anders sein kann als die Umgebung.

 

Ich wünsche euch ein glückliches, mit viel Liebe geprägtes 2018er Jahr

 

Eure Brigitte